Kurt Eisner schrieb 1910 in "Die Tragikomödie des deutschen Liberalismus":
»Es ist ein Widersinn, wirtschaftlich das Leben auf dem Gedanken der
Leistung, des Persönlichkeitswertes, damit praktisch auf der
Autorität der Persönlichkeit aufzubauen, politisch aber diese
Autorität der Persönlichkeit zu leugnen und das Gesetz der
größeren Zahl, die Demokratie an die Stelle zu schieben«,
so Hitler in seiner Rede vor dem Düsseldorfer Industrieclub am
27.01.1932.
Dem Verlust der Glaubwürdigkeit der sich - auch mithilfe von Notstandsgesetzen - Richtung Totalitarismus bewegenden liberalen Politik unter Beibehaltung einer formellen Demokratie stand auf Seiten der NSDAP der mit dem Führerprinzip einhergehende klare Bruch mit der Demokratie gegenüber.
Andere Parteien waren von Zerstrittenheit und Unentschlossenheit, von nicht mehr nachvollziehbaren, ins Absurde ausartenden wirren, taktische Manövern geprägt und schufen so ein Bild des Parlamentarismus, der Weimarer Republik den bzw. die zu verteidigen vielen Menschen der Mühe nicht wert zu sein schien. Das erfolglose Debattieren hier in den liberalen Parteien, da im Parlament, waren in der Wahrnehmung vieler Menschen miteinander verschmolzen, konotiert mit Mißerfolgt und sozialer Not, für die keiner die Verantwortung übernehmen wollte.
Demgegenüber zeigte sich die NSDAP, als die Partei der Tat und der Bewegung [1], in der sich durch die Einigung auf einen Willen die Kräfte "erfolgreich" bündeln ließen. Der auf Parteiebene inszenierte Erfolg [2] stärkte die Wahrnehmung der Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Erfolges im nationalen Rahmen.
Bevor die NSDAP die Macht im Staate übernahm, hatte sie auch das als Inszenierung in der Partei [3] den Menschen bereits zur Vorstellung gebracht, vorstellbar werden lassen. Die Barriere auf dem Weg von einer mit Notstandsgesetzen ausgehebelten parlamentarischen Demokratie zum autoritär totalitären Führerstaat wurde aufgelöst.
Hjalmer Schacht von - mit menschlichen Maßstäben kaum zu messender - Arroganz und nahezu ebenso großem Genie, war, leider Gottes, mit Restbeständen menschlicher Moral versehen. Er entwickelte das Wirtschaftssystem, das das Deutsche Reich so leistungsfähig machte, einen der verbrecherrichsten Kriege vom Zaun zu brechen. Im Laufe seiner Karriere leistete er es sich mit den beiden mächtigsten Männern dieser Zeit Roosevelt und Hitler zu brechen und zu überleben.
Vor das Nürnberger Tribunal gestellt hatte er keine Mühe den U.S.-amerikanischen Anklägern mangelnde Englischkenntnisse vorzuwerfen und Zweifel zu säen, ob deren IQ überhaupt in der Lage sei, ihn zu richten [4]. Hjalmar Schacht nannte, aus einer Notwendigkeit heraus, sein Verhalten in der 30er Jahren zu rechtfertigen, zwei Gründe, warum ein Staatsgefüge zerbricht: Krieg und Wirtschaftskrise. Im Hinblick auf die Weimarer Republik träfe beides zu. Hitler gelangte an die Macht, weil seine Partei von 14 Mio. Wählern gewählt wurde [5].
In den Hungerjahren der Weltwirtschaftskrise hätten die Parteien, die diese Krise zu verantworten haben, das Vertrauen ihrer Wähler verloren und es blieben NSDAP und KPD. Da die KPD eher ihrer Ideologie verpflichtet war, als dem Wähler nach dem Mund zu reden, machte die NSDAP => das Rennen.
Die eigentliche Tragödie bestand aber in der Dummheit der beiden wichtigsten Parteien der Weimarer Republik: SPD und Zentrum. Mit ein wenig Geschick hätten sie die Notverordnungen nach Artikel 48 der Weimarer Verfassung, mit deren Hilfe v. Hindenburg die Demokratie in Deutschland begrub, aushebeln können.
Die in Artikel 48 genannten Artikel der Grundrechte betrafen die Freiheit der Person, die Unverletzlichkeit der Wohnstatt, das Briefgeheimnis, die Meinungsfreiheit, das Vereins- und Veranstaltungsrecht und den Eigentumsschutz [6].
Diesen gangbaren Weg die Faschisierung des Landes und damit das Hitler-Regime zu verhindern verbauten sich diese Parteien aufgrund ihres Starrsinns, d.h. der ihnen liebgewordenen Denkmuster vergangener Tage.
Konnte die SPD mit den Kommunisten überhaupt eine Einheitsfront bilden, da die KPD in diesen Sozialdemokraten Sozialfaschisten sah? Zwar wußten die Kommunisten:
»Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.«
aber sie hatten keinen blassen Schimmer davon, was Hitler-Faschismus wirklich bedeutete.
Ähnlich erging es einem Teil der Industrie- und Finanzgewaltigen, die die Bildung einer „nationalen" Regierung vorantrieben. Man erinnere sich des Mitgliedes der 1928 gegründeten Ruhrlade und stellvertretender Vorsitzender des Reichsverbandes der Deutschen Industrie Paul Silverberg (ein zum evangelischen Glauben konvertierter Jude) oder Fritz Thyssens (Vereinigte Stahlwerke AG und Internationale Rohstahlgemeinschaft), dessen NS-Karriere im Konzentrationslager endete. Auch Hjalmar Schacht (Reichsbankpräsident) landete 1944 im Konzentrationslager.
Die Wirtschaftskrise der 30er Jahre wurde als tiefgreifende Strukturkrise gewertet, bei der es anders als bei den zyklischen Krisen, um die Existenz des Kapitalismus ging, der durch Demokratieabbau und verschärfter Ausbeutung um sein Leben kämpft. Letztes Stadium dieses Kampfes ist der Faschismus. Nur mit Streiks und im Kampf in den Betrieben könne der wahre Feind und Drahtzieher allen Übels, das Kapital, besiegt werden. So dachte KPD damals [7].
Brüning, bis 1932 Reichskanzler, baute die demokratischen Rechte ab, regierte weitgehend ohne Parlament und setzte Lohnsenkungen, wenn nötig, mit staatlicher Gewalt durch, wurde zur Personifizierung dieses „sich im Todeskampf befindlichen" Kapitalismus. Er bereite den Staat auf den Faschismus vor (Faschisierung der Weimarer Republik).
Die SPD unterstützte Brüning!
Brüning gegenüber der Deutschen Allgemeinen Zeitung Anfang Okt. 1931: „der Abbau der Sozialpolitik... [ist] mit der Sozialdemokratie leichter durchzuführen als mit den Rechten [8]"
Also sah die KPD in der SPD eine „sozialfaschistische" Partei, mit der man keine Bündniss eingeht und so hieß Einheitsfront lange Zeit nur, die einfachen Parteimitglieder der SPD ihrer Parteiführung abspenstig zu machen.
Ideologisch weniger verstrickt verhielt es sich bei der SPD. Die KPD war schon immer der Feind.
Als der sozialdemokratische Innenminister Preußens Severing die sozialdemokratische Parteizeitung Vorwärts verbot, weil er den Konflikt mit Reichskanzler Papen scheute, stellte die KPD im Preußischen Landtag den Antrag zur Aufhebung dieses Verbotes. Natürlich versagte die SPD diesem Antrag der Kommunisten zur Aufhebung des Verbotes der sozialdemokratischen Parteizeitung Vorwärts ihre Zustimmung.
Blind vertrauend auf Brünings/Papens Genie erhoffte sich die sozialdemokratische Führung von einer (nicht absehbaren) Besserung der wirtschaftlichen Lage das Ende des faschistischen Spukes. Deshalb mußte die KPD bekämpft werden und nicht die NSDAP, weil die ja von selbst verschwinden würde [9].
Die KPD setzte auf den Kampf in den Betrieben. Ihr Gegner waren die Herren des Kapitals. Die SPD setzt auf den Parlamentarismus. Im Parlament waren aber die Kommunisten zu zahlreich, um eine, wie auch immer angelegte, denkbare, sozialdemokratische Initiative gegen die Faschisten blockiert hätten und in den Betrieben waren die sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftler zu zahlreich, um das hinter Hitler stehende Kapital in die Schranken zu weisen.
So kam es denn zu dem denkwürdigen Ereignis [10] da angesichts des brennenden Reichstags
die damalige kommunistische Reichstagsabgeordnete Maria Reese das Politbüro-Mitglied
Wilhelm Florin fragte, was tun?
Florin ratlos: „Ja, wenn die Arbeiter nicht kämpfen ..." . Darauf hin bemerkte
Reese:
Am 25.11.1932 konnte man in der Presse lesen: "Kass (der Führer des Zentrums) berichtete dem Reichspräsidenten über seine Besprechungen mit dem Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der Deutschnationalen Volkspartei, der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei" [11].
Nachdem Zentrum und Bayerischen Volkspartei (BVP) am 23.03.1933 dem Ermächtigungsgesetz => zugestimmt hatten, scheuten sie auch vor dem letzten Schritt nämlich des politischen Selbsmordes nicht zurück:
Quellen:
[ 1] Thamer, Hans-Ulrich, Der Nationalsozialismus Stuttgart 2002, S. 63
[ 2] ebd. S. 64f
[ 3] ebd. S. 60
[ 4] Streitz, Matthias, Hitlers selbstherrlicher Helfer, auf www.spiegel.de, Stand: 25.02.2018
[ 5] Schacht, Hjalmar, 1933 - Wie eine Demokratie stirbt, Düsseldorf u. Wien, 1968, S. 68
[ 6] ebd. S. 59
[ 7] Dorpalen, Andreas, SPD und KPD in der Endphase der Weimarer Republik in Viertelsjahreshefte für Zeitgeschichte Jhrg. 31/1 1983, München Berlin, S.79ff.
[ 8] Ruge, Wolfgang, Wer war Heinrich Brüning, Bonn 2003, S. 61
[ 9] Dorpalen, a.a.O., S. 88
[10] Reese, Maria, Auf dem Wege. Lebenserinnerungen (unveröff. MS), BA, Kl. Erw. Nr. 379-4, Bl. 23. nach Dorpalen
[11] Schacht, 1933, a.a.O., S. 64f